Blick über den Tellerrand

Aktuell wird die Validierung non-formaler und informeller Kompetenzen in Deutschland über Instrumente umgesetzt, die in das formale Bildungssystem integriert sind. Das Anerkennungsgesetz sowie die Externenprüfung bieten die Möglichkeit, non-formale und informelle Kompetenzen mit einzubringen, bieten aber letztendlich vor allem eine Gleichwertigkeit bzw. Zugang zu einer formalen Prüfung. Das Projekt ValiKom[1] geht einen Schritt weiter und ermöglicht eine Validierung berufsrelevanter Kompetenzen, die außerhalb des formalen Bildungssystem erworben wurden. Nach einer Erprobungsphase, in der Instrumente zur Validierung entwickelt und getestet wurden, geht dieses Projekt nun in eine Transferphase, in der die Ansätze in weiteren Kammern durchgeführt werden sollen. Doch wie sieht es eigentlich bei unseren europäischen Nachbarn aus? Welchen Stellenwert haben non-formale und informelle in anderen Ländern?

Im Rahmen des Erasmus+ Projekts EffectVPL, das von uns im Zentrum für Arbeit und Politik (zap) geleitet wird, haben wir uns am 14. und 15. August mit Partnerorganisationen aus Dänemark, Polen und der Türkei zusammengesetzt und genau darüber gesprochen.

Vielleicht für die meisten nicht überraschend: Unsere skandinavischen Nachbarn sind uns einen großen Schritt voraus. Die Validierung informeller und non-formaler Kompetenzen ist in Dänemark bereits politisch weit fortgeschritten. Seit 2007 gibt es hier einen gesetzlichen Anspruch. Eine Validierung kann außerdem von jeder Bildungseinrichtung als Zugang zu einem Bildungsgang durchgeführt werden.

Auch das polnische Bildungssystem ist im letzten Jahrzehnt grundlegend verändert worden. Im Zuge dieser Neustrukturierung wurden auch Ansätze zur Validierung informeller und non-formaler Kompetenzen integriert. Aktuell werden in Polen Validierungsansätze entwickelt und erprobt.

In der Türkei gibt es dagegen bisher nur einzelne Ansätze zur Validierung informeller und non-formaler Kompetenzen in einzelnen Bereichen, bspw. der industriellen Produktion.

Wenn man bedenkt, dass bis Ende des Jahres 2018 in allen EU-Ländern Konzepte zur Validierung von Erfahrungswissen vorliegen sollen, sind die Unterschiede schon beträchtlich.

Wir haben unser gemeinsames Treffen außerdem dazu genutzt, um uns auch zu den Ergebnissen der Interviews mit Personen, die ein Validierungsverfahren durchlaufen haben ausgetauscht, die wir in allen Ländern durchgeführt wurden. Uns hat vor allem interessiert, welche Effekte eine Validierung für die Menschen auf dem Arbeitsmarkt haben kann.

„Mir war gar nicht bewusst, dass ich überhaupt so viele Fähigkeiten habe!“

Dabei hat sich gezeigt, dass eine Validierung sowohl auf individueller Ebene als auch beruflich einen sehr positiven Effekt haben kann. Die Interviewten empfanden es als sehr positiv, ihre eigenen Kompetenzen zu reflektieren und überhaupt als Kompetenzen, die im beruflichen Kontext relevant sein könnten, wahrzunehmen. Gleichzeitig fühlten sie sich beruflich in ihrem Selbstwert gestärkt und schlossen bspw. eine Weiterbildung als Führungskraft (Betriebswirtin für Hauswirtschaft) an. Aktuell entwickeln alle Partner Fallbeispiele, in denen verschiedene Betriebe aus unterschiedlichen Bereichen (z.B. Pflege, chemische Industrie, Dienstleistung) dargestellt werden. Hier richten wir den Blick auf Kenntnisstand sowie Haltung und Nutzung von Ansätzen zur Validierung informeller und non-formaler Kompetenzen im Rahmen ihrer Personalstrategien. Diese Fallstudien haben wir während des Treffens vorbereitet.

Der Blick über den Tellerrand hat allen Beteiligten neue Inspirationen gegeben – es bleibt noch viel zu tun!

[1] ValiKom wird durchgeführt von vier Handwerkskammern sowie vier Industrie- und Handelskammern und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.