Lust auf eine kleine Expedition?

 

Am Samstag nach dem Workshop von „Wissenschaft im Dialog“ kam das Projekt der Ozean GmbH noch zu einem eigenen Treffen zusammen. Dieser Termin galt als wichtiger Meilenstein: Hier sollten die Weichen für erste konkrete Spielzüge, Handlungsräume und Interaktionen der Ozean-Stakeholder gestellt werden… Es wurde sehr angeregt phantasiert, diskutiert und relativiert:

Als Einstieg und Basis diente uns ein erster Kartenentwurf des Nordatlantiks, in dem bereits einige wichtige Ozeandienstleistungen symbolisch eingezeichnet wurden: Kleine und große Fische repräsentieren die Möglichkeit im kleinen oder großen Stil ertragreich Fischerei zu betreiben, eine Walflosse steht für das touristische Vergnügen der Beobachtung eindrucksvoller Meeresbewohner, Korallenriffe ziehen Taucher und andere Urlauber an und in der Tiefsee schlummert die Verlockung neuer Ressourcen… Uns ist bald aufgefallen, dass wir unsere Ozeane in regionale Gebiete aufteilen müssen; Handlungszellen, in denen die Akteure sich mächtig auf die Füße treten werden! Hineingezoomt in ein solches Gebiet lassen sich schnell viele Konflikte und Interaktionen erkennen.

Habt ihr Lust auf eine kleine Expedition?

Wir stellen uns ein Küstengebiet vor, mit einem kleinen Küstenstädtchen und naturbelassenen Stränden in seiner Umgebung. Vor der Küste und auch weiter draußen auf der Hochsee tummeln sich große Fischschwärme, aber auch Wale und Delfine lassen sich gerne sehen. Im Flachwasser gibt es eindrucksvolle Korallenriffe und die unterschiedlichsten Meeresbewohner zu bestaunen. Dank dem Auftrieb von nährstoffreichen Wassermassen aus der Tiefe floriert die Primärproduktion an der Oberfläche und das Leben sprießt und gedeiht in seiner eindrucksvollen Vielfalt.

Hierhin verschlägt es nicht nur tauchende, segelnde und sonnenbadende Touristen, die den Vertretern des Tourismusverbandes und dem Bürgermeister der Küstenstadt Freude bereiten, sondern auch die Fischerei und Betreiber von Aquakultur haben das Gebiet als lukrative Quelle entdeckt. Der Inhaber einer Cargo-Reederei wittert das Geschäft: Ein Ausbau des Hafens könnte seine Schiffe für den wachsenden Handel zugänglich machen. Er bietet der Küstenstadt eine Beteiligung an den Kosten einer solchen Küstenurbanisierung an. Der Bürgermeister ist entzückt: Anschluss an die großen Handelswege, Industrie, Arbeitsplätze, mehr Steuereinnahme… Der Tourismusverband jedoch schlägt Alarm. Fette Containerschiffe mitten durch das beliebte Naherholungsgebiet werden seine Erträge schrumpfen lassen. Die lauten Motoren der Pötte verjagen Wale und Delfine, die beliebten Anziehungspunkte für Tagesausflüge hinaus auf die See. Und die betonierten Hafengebiete zerstören den unter Touristen beliebten Charme einer ursprünglichen Küstenstadt. Er will mit einer Initiative den Hafenbau verhindern und braucht eine Mehrheit im Gebiet um zumindest regionalpolitisch etwas bewirken zu können.

Wen könnten die Containerschiffe und Betonstrukturen noch stören? Die Fischer? Sicher nicht pauschal. Einige, vor allem die Großfischer, könnten von den neuen Handelswegen profitieren und wenn die Gegend nix mehr abwirft, können sie einfach weiterziehen und woanders Jagd auf die großen Fischschwärme machen. Der Tourismusverband versucht es lieber erstmal bei den Kleinfischern. Die stimmen zu: Wenn hier erstmal der große Handel abgeht, sind sie weg vom Fenster. Die Industriefischerei hängt ihnen jetzt schon im Nacken und sie können nicht so einfach woanders hin umsiedeln, wenn hier alles den Bach runter geht…

Und was ist mit den Betreibern der Aquakulturfarmen draußen vor der Brandung? Die sind unschlüssig. Die Nachfrage an Weichtieren aus der Aquakultur steigt weltweit. Ein guter Zeitpunkt, um den Handel auszuweiten. Aber könnte die Veränderung der Region durch den neuen Hafen die Bedingungen in ihren natürlichen Farmen beeinträchtigen? Während der Tourismusverband, die Kleinfischer und einige Vertreter der Aquakultur mit der Regionalpolitik verhandelt, kommt der Bürgermeister ins Grübeln. Er hatte kürzlich einen schrecklichen Traum: Die neue Hafenanlage hatte viel größere Auswirkungen auf die Küstenökologie, als ihm vorher bewusst war. Ein Schreckensszenario mit tristen Küstenufern ohne Touristen, lauter stinkender Industrie und einer öden Unterwasserwelt in den Riffen zeichnete sich vor seinem geistigen Auge ab. Sollte er seine Entscheidung überdenken und lieber mit dem Tourismusverband verhandeln, der gerade eine Anti-Hafenbau-Kampagne gestartet hat?

Während die Akteure in der Region noch verhandeln, sagen Forscher für das kommende Jahr einen Rekord-El Niño voraus. Für die Region wäre das ein herber Schlag. Die Fischer profitieren vom Auftrieb nährstoffreicher Tiefenwasser und das niederschlagsarme Wetter zieht sonnenhungrige Touristen an. Taucher lieben das klare Wasser und die Strände sind kaum von Erosion durch starken Wellengang bedroht. Was dem Gebiet jedoch möglicherweise bevorsteht, würde alles auf den Kopf stellen und jeder individuellen Entscheidung eine neue Wendung verleihen…

 

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