Fotos in Schwarzweiß schaffen Distanz zwischen dem Geschehenen und dem Aktuellen. In ihrem Projekt “Maschinen-Gedächtnis” möchte ein Saarbrücker HSW-Gewinnerteam Fotos aus den 1920er Jahren mithilfe von Künstlicher Intelligenz nachkolorieren. Durch die Farbigkeit erhoffen sich die Forschenden eine Nähe zur Vergangenheit, um auf diese Weise das Bild der 20er Jahre geradezurücken. Im Gespräch mit WiD sprachen Soenke Zehle und Jan Tretschok über das Verhältnis von Mensch und Maschine, die Wirkung von Fotografien in Farbe und Schwarzweiß sowie über die Archivproblematik.
Mensch-Maschine-Verhältnis, Zusammenhang zwischen Wahrnehmung und Erinnerung sowie kollaborative Technologieentwicklung. Mit diesen drei Stichpunkten lässt sich das “Maschinen-Gedächtnis” Projekt am besten beschreiben. Wieso, erklärt uns Dr. Soenke Zehle, Dozent für Medientheorie an der Hochschule für Bildende Künste Saar, im Interview:
Doch worum geht es genau beim “Maschinen-Gedächtnis”?
“Mit unserem Projekt möchten wir der Bevölkerung die Vergangenheit näherbringen. Wenn man alte Fotografien in Schwarzweiß betrachtet, dann suggerieren sie eine historische Distanz. Man kann sich nicht so einfach mit der Szenerie auf dem Foto identifizieren. Wir haben uns daher gefragt, wie man diese Barriere aufbrechen kann”, erklärt Jan Tretschok, Diplom-Designer und Leiter des Videoateliers der Hochschule der Bildenden Künste Saar. Durch die Nachkolorierung der Fotos wird die Vergangenheit menschlicher gemacht, die Grenze zwischen gestern und heute aufgebrochen. Pixel für Pixel werden analysiert, große Datenmengen entstehen. An dieser Stelle kommt die Künstliche Intelligenz ins Spiel: Nur mit ihrer Hilfe können diese enormen Datenberge ausgewertet werden.
Im Projekt kooperieren multidisziplinär verankerte Partner: die Hochschule der Bildenden Künste Saar, die Saarbrücker Zeitung, der Saarländischen Museumsverband sowie das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI).
Wissenschaftliche Mitarbeitende und Studierende arbeiten gemeinsam an der Durchführung des Projekts. Hintergrund ist ein Lektüreseminar zur wissenschaftlichen Begleitung des Projekts, welches bereits im Winter- und Sommersemester 2018/19 stattfand. Ebenfalls wurde der Algorithmus, der für die Auswertung der Bilddaten verwendet wird, von Studierenden auf einer Open Source Anwendung aufbauend aktualisiert.
Das Projekt – die Kolorierung der Bilddateien – soll dabei nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden. Im Sinne von Citizen Science werden Bürgerinnen und Bürger im Rahmen einer Veranstaltungsreihe dazu eingeladen, die KI-gestützte Nachkolorierung mit privaten Bildmaterialien aus den 1920er Jahren selbst auszuprobieren.
Anhand von Demonstratoren hat das Publikum der Ausstellung die Gelegenheit, das Verfahren zu verstehen. Zudem haben sie die Möglichkeit, mitgebrachte Fotografien vor Ort einzuscannen und von der KI einfärben zu lassen. Auf diese Weise möchte das Team Künstliche Intelligenz der Bevölkerung näherbringen und positive Bezüge aufbauen.
Die zentralen Fragen der Forschenden lauten: (Wie) können uns Maschinen im Umgang mit Erinnerung unterstützen? Und wie gestaltet sich ein gutes Verhältnis von Mensch und Maschine?
Ein Ziel des “Maschinen-Gedächtnis” ist es, den Erfahrungsaustausch interdisziplinär zu stärken. Zudem soll ein digitales Archiv erfolgreich kolorierter Bilder der Ausstellung entstehen. Hierfür sollen mindestens zwei weitere Workshops stattfinden.
Die Archivierung der Bilder stellt ein bisher ungelöstes Problem dar: Digitale Archive, die zum Beispiel historische Daten und Dateien speichern, befinden sich in einem stetigen Wachstum. Zeitgleich werden Fragen nach dem Urheberrecht der Daten und Metadaten aufgeworfen. Nicht nur in diesem Projekt stellt der Umgang mit (Meta-) Daten eine große Herausforderung dar – eine eindeutige Lösung der Urheberrechtslage konnte bisher nicht erarbeitet werden.
Ungelöste Fragen wie diese hindern das Team “Maschinen-Gedächtnis” jedoch nicht daran, ihr Projekt auch langfristig weiterzuverfolgen. “Wir würden das Projekt gerne über das Wissenschaftsjahr hinaus weiterführen. Vorstellbar wären zum Beispiel Hackathons mit kolorierten Bildern – gerne auch im internationalen Kontext, um das Archiv zu erweitern”, verrät Jan Tretschok.
Mehr Informationen zum “Maschinen-Gedächtnis” findet Ihr auf der Homepage sowie der Blogpage des Hochschulwettbewerbs!
Natürlich gibt es auch hier eine Schnellfragerunde zum Abschluss:
(Text: Gesa Hengerer, Wissenschaft im Dialog)